Die Konsolidierung des irakisch-kurdischen De-facto-Staats
Autor: Felix Kistner | Mittwoch, 5. Dezember 2018 |
Südossetien, Republik Arzach, Tamil Eelam, Somaliland: Was haben diese Namen gemeinsam? Zunächst, dass sie kaum eine*r kennt – was genügte, um mein Interesse zu wecken.
Außerdem handelt es sich um De-facto-Staaten. De-facto-Staaten sind sezessionistische Entitäten, die de facto staatliche Funktionen erfüllen, de jure aber nicht als Staaten anerkannt sind. In einem von Staatlichkeit geprägtem System gelten De-facto-Staaten als Anomalien. Dennoch gelingt es einigen, über einen längeren Zeitraum fortzubestehen. Manche De-facto-Staaten sind sogar stabiler als ihre parent states, von denen De-facto-Staaten sich abspalten wollen. So auch der De-facto-Staat Irakisch-Kurdistan, mit dem ich mich in meiner Bachelorarbeit befasst habe.
Um die Konsolidierungsfaktoren des irakisch-kurdischen De-facto-Staats herauszuarbeiten, habe ich ein Raster an Faktoren erstellt, wobei ich mich auf Analysen bereits besser erforschter De-facto-Staaten gestützt habe. Diese Faktoren habe ich in einem zweiten Teil auf Irakisch-Kurdistan angewandt.
Dabei ergab sich, dass auch De-facto-Staaten trotz ihrer vermeintlichen Isolation eines gewissen Maßes internationaler Integration (externe Konsolidierungsfaktoren) bedürfen, um auf Dauer fortzubestehen. Gleichzeitig müssen interne Konsolidierungsfaktoren erfüllt sein. So müssen De-facto-Staaten etwa in Nation- und Statebuilding investieren. Da sich Konsolidierungsfaktoren teils negativ beeinflussen, erwachsen aus De-facto-Staatlichkeit spezifische Zwänge. Konkret für Irakisch-Kurdistan heißt das, dass sich die Kurdische Regionalregierung in einem permanenten Spannungsfeld zwischen dem parent state Irak, den USA, den Regionalmächten Türkei und Iran und der eigenen Bevölkerung bewegt und sich hinsichtlich dieser Akteure immer wieder neu positioniert.
Wie wohl alle bestätigen können, die selbst bereits eine längere Arbeit geschrieben haben, durchlebt man Höhen und Tiefen. Herausfordernd war für mich die Quellenlage, da Statistiken kaum De-facto-Staaten inkludieren. Zudem widersprechen sich Informationen zu Irakisch-Kurdistan je nach Quelle. Diese Schwierigkeiten kann man nicht vollständig ausräumen. Um die Sekundärliteratur und schriftlichen Quellen zumindest zu ergänzen, habe ich qualitative Interviews mit Vertretern der Kurdischen Regionalregierung geführt. So konnte ich nicht nur Informationen für meine B.A.-Arbeit sammeln, sondern u. a. auch das Berner Botschaftsviertel kennenlernen.